Gablitz, 15. September 2021 - Die Tiroler Verordnung, einspurige Fahrzeuge mit einem im Zulassungsschein eingetragenen Standgeräusch von über 95 Dezibel von bestimmten Strecken auszuschließen, ist nun in der zweiten Saison und sorgt immer wieder für Diskussionen.

Zuletzt hat LH Stellvertreterin Ingrid Felipe zum Thema Streckensperrungen in einer Aussendung die Behauptung aufgestellt, dass je lauter das Standgeräusch, desto lauter auch das Fahrgeräusch sei. Und genau deswegen habe Tirol den richtigen Weg eingeschlagen, Motorrädern mit einem Standgeräusch von über 95 dB(A) das Befahren von bestimmten Strecken zu verbieten, um die Anrainer vor zu großer Lärmbelastung zu schützen.

Die Arge 2Rad, der Dachverband der österreichischen Zweiradindustrie und Zweiradimporteuren, gemeinsam mit der Wirtschaftskammervertretung des 2Radhandels, halten fest, dass diese Behauptung nicht den Tatsachen entspricht. Beide Interessensvertretungen sind um Klarheit, Objektivität und einen nachvollziehbaren Ansatz für eine neuerliche Beurteilung dieser Verordnung bemüht.

Zwei markante Beispiele dokumentieren dies. Die angeführten Daten stammen aus den offiziellen Typengenehmigungen der EU für die entsprechenden Motorradtypen, sind also unangreifbar (Viele weitere Beispiele anderer Marken*, die den gleichen Schluss ergeben, sind im Anschluss aufgelistet)

Suzuki: bei GLEICHEM Fahrgeräusch von 77 dB(A) hat die GSX-1100 ein Standgeräusch von 96 dB(A) und der Burgmann 400 von 84 dB(A); also KEIN Unterschied beim Fahrgeräusch, aber ein Unterschied von 12 Dezibel im Standgeräusch!

Ducati: das Fahrgeräusch der Panigale Superleggera und ebenso der Multistrada V4S ist 77 dB(A), das Standgeräusch der Panigale beträgt 108 dB(A) und das der Multistrada 92 dB(A); dh auch in diesem Beispiel gibt es KEINEN Unterschied im Fahrgeräusch, aber 16 dB(A) im Standgeräusch.

„Diese beiden Beispiele unterstreichen sehr deutlich, warum wir schon rein fachlich mit der Tiroler Verordnung bzgl Fahrverbote für Motorräder nicht einverstanden sind. Zeigen sie doch ganz eindeutig, dass das Standgeräusch keinen Rückschluss auf das Fahrgeräusch, das ja letztendlich das Kriterium der Lärmbelastung für Anrainer darstellt, zulässt. Es ist daher absolut nicht geeignet, „laute“ von „leisen“ Motorrädern zu unterscheiden!“, so Karin Munk, Generalsekretärin der Arge 2Rad.

Ferdinand O. Fischer, Sprecher des 2Radhandels, ergänzt: „Das Standgeräusch hat nur einen Zweck: es ermöglicht der Polizei durch eine vor Ort Messung festzustellen, ob ein Auspuff manipuliert wurde oder nicht. Eine Verordnung, die Motorrädern lediglich aufgrund einer Nachschau im Zulassungsschein das Befahren verbietet, ohne zu messen, geht am Sinn und Zweck des Standortgeräusches, nämlich manipulierte Auspuffe aus dem Verkehr ziehen zu können vorbei und ist daher alleine schon aus diesem Grund vollkommen widersinnig.“

Unabhängig von der Themenverfehlung der Standgeräuschverordnung von Frau Felipe, ist das Verbot der Nutzung von offiziell zugelassenen motorisierten Zweirädern, die auf europäischer Ebene und in Österreich homologiert wurden, für die jede Menge Steuern bezahlt wurden und werden, kategorisch abzulehnen. Außerdem widerspricht die Verordnung dem Gleichheitsgrundsatz; eine entsprechende Verfassungsgerichtshof-Klage ist anhängig.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wenn Bikes manipuliert werden, wird das von beiden Organisationen in keinster Weise gutgeheißen, im Gegenteil. Es gibt aber derzeit schon genug Möglichkeiten, diese Bikes entsprechend zu strafen. Daher besteht kein Regelungsdefizit, sondern, wenn schon, ein Vollzugsdefizit. Darüber hinaus sehen sowohl die Arge 2Rad, als auch die Vertretung des 2Radhandels, die Notwendigkeit eines Beitrags der Motorrad-Community zum gedeihlichen Miteinander von Motorradfahrern und Anrainern; in diesem Zusammenhang hat die Arge 2Rad die Kampagne „Fahr ruhig weiter“ und der Zweiradfachausschuss der WKO die Videokampagne „Lieber leiser in die Zukunft, als laut ins Out!“ ins Leben gerufen. Auch die Hersteller werden einen entsprechenden Beitrag leisten und ab 2024 noch leisere Motorräder in freiwilliger Selbstbeschränkung auf den Markt bringen.

Karin Munk und Ferdinand O. Fischer zum Abschluss: „Unsere Initiativen haben schon merkbare Bewusstseinsänderungen bei den Bikern bewirkt, auch die Hersteller sind sich ihrer Verantwortung bewusst und werden entsprechend handeln, auf eine Bewusstseinsänderung der Tiroler Landesregierung, allen voran von LH Stellvertreterin Felipe, warten wir leider noch immer vergeblich.“

*Aprilia, BMW, Ducati, Harley-Davidson, Honda, Kawasaki, Suzuki, Triumph, Yamaha

Vergleichstabelle der Fahrgeräusche und Standgeräusche (laut EU Homologation) von Motorrädern diverser Marken.

Die rot markierten Fahrzeuge dürfen, im Gegensatz zu den grün markierten, in Tirol auf diversen Strecken nicht fahren, obwohl das Fahrgeräusch innerhalb jeder Marke, wie man der Tabelle entnehmen kann, praktisch gleich ist. Im Fall von BMW hat die R1250GSA bei einem um 5 Dezibel geringerem Standgeräusch sogar ein um 1 Dezibel höheres Fahrgeräusch als die R18! (Die Beispiele wären noch beliebig erweiterbar!)

Marke

Type

Fahrgeräusch in dB(A)

Standgeräusch in dB(A)

Aprilia

Tuono 660

77

99

Tuono V4 Factory

77

95

BMW

R18

75

95

R1250GSA

76

90

Ducati

Panigale Superleggera

77

108

Multistrada V4S

77

92

Harley-Davidson

Fat Boy

75

96

Road Glide CVO

75

91

Honda

CBR1000RR-R

75

99

CB500F

74

90

Kawasaki

Ninja ZX-10RR

75

97

Ninja ZX-6R

75

91

Suzuki

GSX-S1000

76

96

Burgmann 400

76

84

Triumph

Rocket3TFC

77

102

Street Scrambler A2

77

92

Yamaha

YZF-R1 RN191

77

99

YZF-R1 RN042

77

88

Foto zur freien Verwendung/Arge 2Rad: Karin Munk und Ferdinand Fischer für einen nachvollziehbaren Ansatz für eine neuerliche Beurteilung dieser Verordnung bemüht